(vom) 8. 4. 08, Di
Muß es einfach mal so grob sagen – wir leben in ziemlich idiologisch verblendeten Zeiten; das spür ich ja schon lange und seh und erleb es jeden Tag zigfach. Übrigens eine gute Gelegenheit den treffenden Spruch von Georg Freitag mal wieder zu zitieren – Der Wahnsinn kursiert grenzenlos. Ja, so ist es. Anlaß für diese Zeilen ist ein tragisches Ereignis, das von BILD heute aufgegriffen und absolut reißerisch aufgemacht wurde.
Wirt erhängt sich wegen Rauchverbot !
° Monatelang kämpfte er gegen das neue Gesetz ° Immer mehr Raucher-Gäste blieben weg ° Im Abschiedsbrief klagt er die Politik an.
Das bundesweite Rauchverbot in Kneipen – jetzt gibt es ein Todesopfer ! Gastwirt Uli S. (60) erhängte sich, weil er Angst um seine Existenz hatte.
Soweit die BILD. Ein trauriger Beweis dafür, daß den Propagandisten des Rauchverbots (pardon heißt ja in unserer Lügenrhetorik des angewandten Neusprechs bandwurmmäßig Nichtraucherschutzgesetz) die wirtschaftliche Situation vieler Kneipenwirte, die durch die neue Gesetzeslage in ihrer Existenz gefährdet sind, einfach schnuppe ist. Das läßt sie in meinen Augen nicht gerade im Ansehen steigen. Dabei faseln alle diese Leute bei praktisch jeder Gelegenheit immer fett und breit von Toleranz, meinen dann aber stets nur die linke Tolleranz, die mit ll geschrieben wird (und so schnell tolleranzig schmeckt) also um endlich auf den Punkt zu kommen – wo, bitte schön, ist auch nur ein Gran von Toleranz zu finden, wenn ein dubioses Netzwerk aus Gesundheitsfanatikern, Gesellschaftsingenieuren, Politikern und anderen nicht klar erkennbaren Interessenvertretern plötzlich in apodiktischer Schärfe dekretiert, wie der einzelne Wirt seine Kneipe zu führen habe, nämlich dergestalt daß jeglicher Tabakgenuß innerorts verboten und damit zu unterbinden sei. Wo doch auf beiden Seiten des Tresens immer schon mit Genuß gequalmt wird und gerade die Kombination gemütlich nach Feierabend ein Bier zu trinken und dabei sich die ein oder andere anzustecken für viele Kneipenbesucher ein nicht unwesentlicher Anreiz darstellt selbige aufzusuchen; und das betrifft insbesondere die Gäste vieler kleiner Einmann-Eckkneipen (und damit keine „abhängig Beschäftigten“ „betroffen“ sind. Will man die Wirte (und Kneipen) nun gezielt fertig machen und existenziell ans Messer liefern, um die Menschen am Qualmen zu hindern? Und das führt gleich zur nächsten Frage. Wie kann eigentlich ein vernünftiger Mensch ein solches (beknacktes weil lebensfernes) Gesetz formulieren und dann noch erlassen, ohne derartige Folgen und Weiterungen zu bedenken ? Entweder es ist Fantasielosigkeit oder es steckt eine Absicht dahinter. Eine pädagogische wie es ausschaut, denn die Verbote und Einschränkungen dienten doch guten Zwecken, man wolle nur die Menschen gesünder machen, sie von schlechten und schädlichen Gewohnheiten heilen und damit den Menschen bloß vor sich selber schützen. So schmalzig klingen diese idiologischen Flötentöne; und im Grunde geht es ihnen mal wieder um den Neuen Menschen, den homo multikulturensis, der von seinen Traditionen entkernt, von seinen Vorurteilen geheilt und von seinen Lastern befreit werden soll. Bei solch einer hehren Zielsetzung wäre Toleranz natürlich absolut fehl am Platze. Die Raucher können ja vor der Türe rauchen, wenn sie denn unbedingt müssen, so geben sie in arroganter Abgehobenheit zu verstehen: Damit sie begreifen, daß das, was sie machen einfach bäh ist und ein (heimtückischer) Angriff auf die Gesundheit ihrer Mitmenschen dazu. Bei eim solchen Bedrohungsszenario muß selbstverständlich reagiert werden, lassen sie alarmierend verlauten, und daher sind eben gewisse Eingriffe in die Freiheit unvermeidlich, da man so die Menschen auf diesem Wege in eine viel größere Freiheit führen will blabla. Und schaut man genauer hin, kommt dieser ganze Schrott mit Gängelung, Regelung und Vereinheitlichung von der EU, und das schrottige NRSG liegt auf derselben Linie wie das die (Ein)Heimischen unter Generalverdacht stellende Antidiskriminierungsgesetz. Daß man bei solchen aberwitzigen Tendenzen und Gesetzen irre werden kann und die Welt nicht mehr versteht und letztlich daran verzweifelt, kann ich voll nachvollziehen. Und daß man irgendwann, wenn alles Bemühen fruchtlos bleibt, dann wirklich die Krise kriegt weil man das Gefühl hat, immer nur gegen eine undurchdringliche Wand zu rennen, und daß dann schließlich die glatte Verzweiflung über einen kommt und man bei diesem Treiben nicht mehr mitmachen will, letztendlich auch. Wer also solche Gesetze sich ausdenkt und auf den Weg bringt und diese den Menschen mit kaltschnäuziger Arroganz überstülpt, ist in meinen Augen nicht ganz koscher oder sagen wir besser nicht ganz knusper. Meine Wertschätzung hat er jedenfalls verloren und meine Zustimmung ebenso wie auch die Stimme, wenn mal wieder Wahl ist. Es ist wahrlich eine Schande, welche Dummlaffel heute Politik machen und welche Dummtraveller über die Geschicke der Menschen zu entscheiden haben.
PS. Spannende Lesung am Fr. 11. 4. 08 im LI-LA Literatur-Laden um 20.15 Uhr
Ambrose Bierce – „Geschichten aus dem Bürgerkrieg“
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