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Tabakskollegium

30. März 2011

Berlin, 30. 3. 2011 – Mi

Irgendwann, wenn der Irrsinn
immer weiter um sich greift, wird ma die 60er, 70er und 80er als die goldenen und prosperierenden Jahrzehnte verklären, weil damals die allgemeine Stimmung gut war und viele Probleme, die uns heute zwicken, gänzlich unbekannt waren.

Und nicht zuletzt wohl gerade deswegen,
da in diesen Zeiten nahezu überall tüchtig geraucht wurde, wie auch werden durfte, insbesondere bei den Vertretern der schreibenden Zunft, gleichviel ob nun Literaten oder Journaille; und weil eine qualmende Zigarre schon fast das Symbol für Aufschwung und wirtschaftliche Prosperität abgab.

Der populäre Wirtschaftsminister
jedenfalls, dem das Wirtschaftswunder zu danken war, ließ sich höchst selten ohne qualmende Zigarre ablichten und machte auch als zugkräftige Wahlkampf-Lokomotive gehörig Dampf .

Für Raucher waren das goldene Zeiten,
keine Frage, aber auch für die anderen, die sich im Wohlstand einrichteten und optimistisch in die Zukunft blickten. So ungefähr war nämlich die Grundstimmung, Aufbruch, Fortschritt und der Duft der großen, weiten Welt.

So golden die Zeiten
im Rückblick erscheinen mögen, so waren sie doch von einigen heftigen Erschütterungen und strukturellen Veränderungen geprägt, unter anderem daß sich ein forciertes Veränderungsfieber bei den jungen Leuten breitmachte, das die Wortführer am liebsten über gesellschaftliche Fortschritte fantasieren ließ.

Die Normalität begann also
problematisch zu werden und geriet langsam unter Rechtfertigungsdruck. Aber ganz sachte, denn zu verstiegen muteten erst mal die Konzepte an. Und doch sind dort die Anfänge zu suchen, da nicht gerade wenig von dem Irrsinn, unter dem wir heute zu leiden haben, in diesen Tagen angedacht und auf den Weg gebracht wurde.

Rauchen gehörte damals noch
zum guten Ton und war daher eine gern geübte Geste der Freundschaft, die darin bestand, den anderen, ob Freund oder Kumpel oder Geschäftspartner, locker zum Rauchen aufzufordern und ihm zu diesem Behufe sogleich auch eine Zigarette aus der eigenen Schachtel anzubieten und ebenso umgekehrt.

Und ebenso war es ein verbreitetes Ritual
unter alten Männern, nämlich in schönster Plauderrunde allesamt Zigarren zu rauchen und dabei in alten Geschichten zu schwelgen.

Dann war die Luft natürlich
schon bald darauf zum Schneiden, aber das tat der Stimmung keinen Abbruch und damit es der Großmutter nicht zuviel wurde, wurden ja immer mal Fenster und Türen geöffnet. Ging also auch.

An Zigarren rauchten die alten Herren
zumeist ihre eigenen, doch kam es vor, daß aus purer Geberlaune oder aus besonderem Anlaß einer den anderen reihum eine Zigarre anbot oder als Zeichen der Wertschätzung dem Gastgeber beim Abschied eine für später zusteckte.

Alte Männer, die eine gute Zigarre
zu schätzen wußten, war in meiner Jugend, wenn ich mich recht entsinne, wohl mehr die Regel. Dieser Umstand hatte für mich als kleinen Jungen den Vorteil, daß ich mir zu Weihnachten und zum Geburtstag nicht sonderlich den Kopf zerbrechen mußte bei der Frage, was ich dem Großvater schenken sollte. Zigarren eben, damit der Opa was zu rauchen hat.

Ich jedenfalls fand damals
das Tabakskollegium der Alten ausgesprochen anheimelnd, saß still in der Ecke und hörte den Geschichten zu, von früher, von Leuten, die ich nicht kannte, vom Krieg und von der Politik und was ihnen sonst noch Thema war.

Situationen, an die ich mich
gerne erinnere, in denen man so viel mehr von den alten Männern erfuhr als sonst im normalen Umgang möglich war; Situationen aber, die heute aber so nicht möglich wären, da sie erstens der Gesetzgeber gar nicht zuläßt und aus Gründen des Gesundheitsschutzes von Kindern und Jugendlichen verbietet, zweitens die Großväter heute so sensibilisiert sind und einen dahero des Zimmers verweisen würden und drittens weil  eine solche Szenerie heute eher unwahrscheinlich anmutet, da die Großväter sich aus Gesundheitsgründen längst vom Rauchen verabschiedet haben.

Gut, daß es damals
diesen ganzen Quatsch noch nicht gab und ich unverstellt den Erfahrungen der Alten in ihrer bevorzugten Umgebung lauschen konnte.

Man sollte auch nicht vergessen,
daß viele ein durchaus biblisches Alter erreichten, trotz der steten Qualmerei, und häufig sogar die 80 überschritten. Und wenn ihnen die Zigarre noch schmeckte, konnte man  ziemlich sicher sein, daß es ihnen noch leidlich gut ging. Schmeckte sie ihnen aber plötzlich nicht mehr, dauerte es dann zumeist auch nicht mehr lange …

 

Und auf den Schnupperkurs Kreatives Schreiben Anfang Mai im LI-LA Literatur-Laden sei bei der Gelegenheit auch hingewiesen.

Eine Sache möchte ich
noch loswerden; hab ja nix dagegen, wenn man die Sprüche und Rauchermotive herunterlädt, aber daneben würd ich mich schon freuen, wenn der ein und die andere doch auch ab und an mal ein Schild wie etwa  ‘Rauchen kann gemütlich sein’ bei mir bestellen würde.

Kostet ja auch nicht sooo viel
und gibt’s in verschiedenen Größen. Und eignet sich auch als kleines Geschenk oder Mitbringsel für passionierte Raucher. Also, nicht immer nur, egoistisch sein und alles für lau haben wollen, sondern auch mal an andere denken und ihnen eine kleine Freude machen.

Und wer von den Lesern hier
für ein paar Tage in der Hauptstadt weilt, kann mir auch gern mal einen Besuch abstatten. Am Nachmittag ab 15 Uhr trifft er mich mit großer Sicherheit im Laden an. Übrigens, fürs Rauchen muß ma bei mir auch nicht vor die Tür treten …
Und so eine Ladenszene hatte es letztens im Neue-Spryche-Blogg

 

… Musikspur:  Santana – Samba pa ti …

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… die erste Zigarette …

31. Dezember 2010

 

Berlin, den 31. 12. 2010

Das Leben ist bekanntlich spannend,
auch wenn viele es mit zunehmenden Alter als eintönig und langweilig empfinden mögen, weil stets im gleichen Trott und ohne echte Höhepunkte.

Aber weiß ma denn,
was als nächstes passieren wird ?  Das Leben ist prinzipiell für Überraschungen gut, sowohl für angenehme wie auch unangenehme. Das passiert natürlich nicht ständig, aber doch von Zeit zu Zeit und in manchen Phasen sogar gehäuft. Auf einen Schlag gewinnt dann das Leben Farbe und Intensität und der grieselig-graue Alltagsschleier zerreißt lautlos. Paar Spritzer Adrenalin ins Blut und schon ist man voll da, also hoch konzentriert.

Ach ja, die erste Zigarette
im Gebüsch mit den Jungs, eine seltsame Erfahrung, ganz ungewohnt zunächst und auch nicht so bekömmlich. Sachte ziehen und erst mal paffen, sonst war ein Hustenanfall vorprogrammiert, wenn nicht schlimmeres.

Einer aus der Gruppe,
sechssieben mögen es gewesen sein, hatte gleich getönt, als man sich zur einsetzenden Dämmerung versammelte – ich hab’n Päckchen Zigaretten … Wo er das wohl herhatte ?  Sicher vom Vater oder Onkel stibitzt. Aber egal, das beschäftigte uns damals nicht.

Hauptsache ein kleines Abenteuer,
etwas Verbotenes halt, ich muß wohl so um die 12 Jahre alt gewesen sein. Als dann der edle Spender reihum jedem wie ein Alter aus seiner Schachtel Zigaretten anbot, übrigens nicht alle griffen zu, und darauf dann zackig jedem Feuer gab, fühlte man sich für einen Moment als ein Großer, dh. wie ein Erwachsener, obschon die Zigarette zwischen den Fingern etwas seltsam anmutete.

Klar, das erste Mal eben.
Aber wenn man es dann noch schaffte, den Rauch  ohne Husten zu inhalieren, dann spürte man auch dies angenehme Kribbeln in den Armen. Nun, es war schon ansatzweise ein entrückendes Erlebnis, sowohl durch Umstände als auch durch Anlaß, heimlich sich in einen anderen Bereich zu begeben im Kreis der Mitverschworenen für eine Zigarette (oder waren es nicht sogar zwei ?) als ein Erwachsener zu fühlen und quasi vorzuschmecken.

Mit einer leichten Euphorie
traten wir dann schließlich den Heimweg an, da es inzwischen dunkel geworden war und man das Abendbrot nicht versäumen wollte, und nahm sich gegenseitig das Versprechen ab, dies Geheimnis ja zu bewahren und nicht auszuplaudern.

Ein bißchen bange
war mir dann schon, als ich zuhause eintrudelte; tat erst so, als wäre nichts besonderes gewesen, aber meine Mutter schöpfte gleich Verdacht, kam mir nahe und forderte mich auf, sie einmal anzuhauchen. Merkte sie natürlich gleich.

Du host geraacht !
sagte sie und es folgte eine Standpauke. Weil zu ungesund und weil  zu jung dafür und natürlich auch wegen der Leute. Der rauchige Atem war eindeutig, und den hatte ich als seltsamen Geschmack so  unverkennbar im Mund, daß ich schon unterwegs daran denken mußte, mich so zu verraten. Wenn nur dieses verdammte Danach nicht wäre !

Jaja, es macht Pläsier,
wenn man’s ist, doch Verdruß, wenn man’s gewesen. Nun, Wilhelm Busch hat für diese Problematik oder besser diesen Zwiespalt die absolut passenden Worte gefunden.

Übrigens auch so einer,
der eine besondere Affinität zum Tabak hatte und nicht gerade jung gestorben ist. Nun, vielleicht machte ihn ja sein Humor und seine künstlerische Ausdruckskraft immun gegen die gesundheitsschädlichen Folgen, die ma heutzutage dem Tabakrauch apodiktisch nachsagt, als wäre nicht die Lebensweise im allgemeinen wie auch die Lebenseinstellung im besonderen letzthinnig entscheidend dafür, wie gesund oder kränklich man sich so durchs Leben schlängelt.

Und einer von vielen Kreativen,
der ein opulentes Werk hinterlassen hat – das viele Generationen erfreute und noch immer fasziniert – und zumindest einen Teil seiner Inspiration dem Zug aus der qualmenden Pfeife verdankte. Davon demnächst mehr, denn es gibt schließlich so viele von dieser Kategorie.

Ach, und nächstes Jahr
steht da ja ein bemerkenswertes Jubiläum an, doch davon mehr im neuen Jahr …

Was zum Ablachen hätte ich da auch noch. Kann ma sehen, wie schlimm doch das Rauchen ist, zumindest für Außerirdische.

Und dann wäre hier
noch ein interessanter Beitrag im Neue-Spryche-Blogg.

… Jogis Zigaretten oder el Flaco …

23. Juni 2010

Berlin,
23. 6. 2010, Mi

Auch der Bundesträner raucht, zumindest gelegentlich, wie ma so hört. Aber er macht es mehr sticum, denn Bilder von Jogi Löw mit Zigarette im Schnabel sind selten. Höchstwahrscheinlich haben einige Medien- und DFB-Gewaltige so lange auf ihn eingeredet, daß er in der Öffentlichkeit (was für ein komisches Wort) doch bitte darauf verzichten möge – von wegen Vorbildfunktion der Jugend gegenüber (dabei ist die zu nicht geringen Teilen verdorben wie nur was) und um des sauberen Sportimages willen. Als ob es nicht Doping, unlautere Tricks, politische Instrumentalisierung und andere Dekadenzien nicht zur Genüge gäbe. Unter der Hand werden sie sich wohl so geeinigt haben – er darf zwar weiterhin rauchen, aber er darf sich nicht dabei erwischen lassen.

Ein fader Kompromiß, der ihm da aufgenötigt wurde, denn gerade wenn er der Zigarette am meisten bedarf, bleibt sie ihm verwehrt, dann nämlich wenn er auf der Tränerbank sitzt und das Spiel wie letztens gegen Serbien ungeheuer an seinen (und unseren !) Nerven zerrt. Je höher die Spannung steigt, umso mehr wächst das Bedürfnis nach eim tiefen Zug. Geht mir schließlich genauso, obwohl ich nur als einfacher Zuschauer aus der Ferne mit der Mannschaft mitfiebere. In solchen Momenten einer lastenden Spannung erhöht sich der  Tabakkonsum beträchtlich, so sehr daß er zuweilen gar schon fast an die Frequenz eines großen und erfolgreichen Träners und leidenschaftlichen Rauchers herankommt. Erinnern Sie sich noch an Cesar Luis Menotti, den legendären Coach (was für blödes Wort, da muß ich immer an Couch* denken, aber mir fällt kein anderes ein) von Argentinien in den 70ern.  Der rauchte natürlich frei und unbeschwert auf der Tränerbank, während er konzentriert das Spiel verfolgte, und das ganz ohne schlechtes Gewissen. Heute quasi unvorstellbar, rauchte er an einer Tour und qualmte so im Laufe eines Spiels locker ein halbes Päckchen weck. Und war dabei eine imponierende und überzeugende Gestalt. Das hat man damals als eine Marotte, als eine persönliche Eigenart angesehen, an der ma weiter keinen Anstoß genommen hat, gehörte eben dazu und vom Rauch fühlte sich so schnell auch niemand belästigt …

Ach, waren das noch gemütliche Zeiten !  Und heute sind alle so brav und korrekt; nur was hilft’s, trotzdem sieht die Zukunft so bedenklich und gar sehr bedrohlich aus. Nun, vielleicht gerade deswegen, weil sie so angepaßt sind und sich alles aufschwätzen lassen. Es geht jetzt nicht mehr (allein) um die Raucher, denn die werden immer ein Plätzchen finden; Stigmatisierung oder praktischer gesprochen Ausgrenzung verbindet, sondern um die Zukunft allgemein, also das betreffend, was auf uns alle zukommt. Nicht Passivrauchen ist die große Gefahr, die die Gesellschaft bedroht, sondern passiv sein und es bleiben – gegenüber den unguten Entwicklungen, die die Gesellschaft in ihrer Zusammensetzung und Funktionsweise von Grund auf zum Leidwesen der Heimischen in den nächsten Jahren verändern wird.

Höhöhö – gerade noch bei Wiki nachgeschaut, ziemlich dürr** was da steht, viele sogenannte Fakten (als Träner da und dort bis dann und dann), aber nicht sehr viel Essenzielles. Und keine einzge Silbe darüber, daß er ein starker Raucher, ein Kettenraucher also, ist bzw. war.  Soll heute wohl keiner wissen. Das viele Rauchen jedenfalls scheint ihm nicht sonderlich geschadet zu haben, war er doch bis zum Alter von 70 Jahren als Träner tätig und lebt immer noch.

Wikipedia:

**Er führte die argentinische Nationalmannschaft bei der WM 1978 im eigenen Land zum Titel. In seiner Heimat wird er ‚el Flaco‘ („der Dürre“) genannt. (Von der permanenten Fluppe aber keinen Pieps, dabei würde sie vielleicht erklären, weshalb sie ihm diesen Spitznamem verpaßt haben. [der säzzer])

Hier dann noch ein Verweis auf einen neuen Artikel im Neue-Spryche-Blogg – es  geht da um Stilblüten, die verblichene TÄTÄRÄ und so.

Ach so, Daumen drücken nicht vergessen, heute abend !!!

* Der Coach der Wasserballer war so breit, daß er immer für sich ein ganzes Sofa brauchte, um gemütlich Platz zu finden.

…ein irres und aberwitziges Experiment…

4. September 2008

Hatte ehrlich gesagt die ganze Zeit wenig Nerv und erfreulicherweise auch wenig Veranlassung mich hier im Raucherclub rumzutreiben, denn die Zigarette hat geschmeckt, wenn mir danach war; und den ganzen Sommer hatte man mit den imgrunde albernen Einschränkungen wegen Rauchverbot zum Glück nur wenig zu tun. Draußen ist es bei milden Temperaturen eh schöner als drinnen. Zudem gab das Urteil einen gewissen Auftrieb, da die Richter fürs erste das Existenz- und Eigentumsrecht des Wirtes höher bewerteten als einen wissenschaftlich verbrämten, jedoch durch und durch fadenscheinigen umfassend zu ‚gewährleistenden‘ Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, den es durchzusetzen gälte. Nach dieser Logik könnte man auch allen Fernfahrern auf ihren monotonen Fernfahrten per Gesetz das Rauchen verbieten. Aber die solche Gesetze machen, kümmern sich einen feuchten Kehrricht darum, wie sich das dann für die Betroffenen anfühlt. Bei langen Strecken ist mancher mit Zigarette sicher konzentrierter als ohne. Manches, wenn nicht gar vieles, was heute abläuft, ist wie ein böser Traum, bei dem man irgendwann aufwacht mit der beklemmenden Vorstellung, dies alles hier ist ein irres und aberwitziges Experiment und wir sind dabei die Versuchskaninchen… Aber diese Befürchtungen sind längst nicht von der Hand zu weisen. Bei dem Tempo, mit dem sich alles dreht und immer schneller dreht, kann einiges geschehen, vor allem an Unerwartetem und an wenig behaglichen Entwicklungen, die damm schnell um sich greifen können. Wer sich in Geschichte auskennt und in der Geschichte umkuckt, sieht gleich, daß es nicht beständig friedlich in derselben zugegangen ist und daß nach einer Periode der Stabilität und des Friedens immer früher oder später etwas gegenläufiges kommt, das durch anhaltende Dekadenz und idiologische Blindheit bedingt und gefördert mehr und mehr um sich greift und irgendwann höchst unfriedlich wird. Und vor diesem Hintergrund legen sich unsere Politiker für das Rauchverbot ins Zeug, verlangen sogar jetzt die nicht allein bei Kindern geliebten Überraschungseier zu verbieten oder möchten eine andere Kennzeichnung der Automobile, eben die Stadt oder den Kreis nicht mehr als knappe Buchstabenfolge kenntlich zu machen, damit sich niemand wegen seines Kennzeichens herabgesetzt und diskriminiert fühlen muß. Ein Offenbacher, der vor einem herfährt, muß sich schon gefallen lassen, egal ob sein Fahrstil das hergibt oder nicht, daß man das Kennzeichen OF mit eim gewissen Behagen als eben Ohne Führerschein übersetzt. Schon irgendwie ein Gipfel der Traumtänzerei und fast der oberste Wert in dieser wertelosen und von nicht wenigen als wertlos empfundenen Zeit ist dieser Ansatz nämlich allüberall Gerechtigkeit herstellen und jede Art von Diskriminierung abschaffen zu vollen. Dabei ist die Natur ganz anders gestríckt, denn sie ist auf Unterschiede aus und alles anders als gerecht. Daher spielt auch der Faktor Konkurrenz so eine große Rolle, aber bei diesem ewigen Spiel sind die Bewerber alles andere als mit gleichen Fähigkeiten, Begabungen usw. ausgestattet. Am Ende noch ein Hinweis in eigener Sache wie auch ein Bezug zum Thema. Am Freitag um 20.15 Uhr im LI-LA Literatur-Laden eine interessante Hesse-Lesung mit dem Titel Das erste Abenteuer mit frühen Geschichten und Gedichten. Ausführlicher auf der eoscheinder Webseit beschrieben, aber aus der Titelgeschichte zum Abschluß nun dieser Satz, der jedem Raucher aus der Seele sprechen dürfte.

 

 

Nach der Mahlzeit wurden uns die Weingläser in den Salon gebracht, und als mir eine feine Zigarre geboten und zu meinem Erstaunen an einer rot und goldenen Kerze angezündet war, stieg mein Wohlsein bis zur Behaglichkeit. 

…früher Genießer – heute Süchtige…

18. Juni 2008

18. 6. 08 Mi

Um noch einmal kurz darauf zurückzukommen, die Anekdote von Kleist war doch ganz spannend und bezeichnend, oder ?  Eine Geschichte, die in meiner Schulzeit mit Sicherheit im Lesebuch stand, aber ob sie noch heute dort zu finden ist, weiß ich nicht, wohl eher nicht, weil zu militärisch (und vaterländisch) und dann ist da noch ein Typ im Zentrum, der nicht vom Tabak lassen kann, bevor er etwas anfängt. Vielleicht sind da andere mehr im Bilde als ich. Die mögen es gerne nachtragen; fänd ich gut. Überhaupt könnte ich mir vorstellen, daß hier noch andere Rauchergeschichten präsentiert werden, damit man umso besser sieht, daß die Raucher nicht zu allen Zeiten so verschmäht wurden wie jetzt eben und mit den letzten haltlosen Asozialen auf eine Stufe gestellt werden. Das ist ja so mit der Punkt, der mich am meisten wurmt. Wer also ähnliche Geschichten weiß oder interessante Passagen kennt von bekannten Autoren, in denen Raucher eine starke Rolle spielen, der möge mir den Text schicken oder den Autor nennen und ich stelle es unter Rauchergeschichten hier rein. Sollte natürlich nicht zu lange sein. Aber muß nicht unbedingt eine Geschichte, also fiktionale oder nachgestaltete Wirklichkeit sein, kann ebenso auch ein essayistischer oder feuilletonistischer Text sein. Warum ?   Einfach um sich selber Mut zu machen und den angemaßten Saubermännern, die sich so penetrant nach vorne geschoben haben, mit gewichtigen Stimmen aus der Literatur und der Kulturgeschichte Paroli zu bieten. Denn sie haben eigentlich nichts weiter zu bieten als sinnentleerte Effizienz und pseudowissenschaftliches Geblubber. Konkret heißt das etwa im Namen der Gesundheit eine Gesundheitsdiktatur zu errichten (oder im Namen der Terrorabwehr einen Überwachungsstaat). Übrigens Gesundheit ließe sich auch als Krankheitsabwehr bzw. Abwesenheit von Krankheit beschreiben bzw. definieren. Was diese Leute umtreibt, ist, ich muß es wohl sagen, ein idiologisches Sendungsbewußtsein, das mit einer typisch linken Avantgarde-Logik einhergeht; nach dem Motto, da die Leute nicht wissen, was ihnen eigentlich gut tut, muß man sie also mit repressiven Mitteln und der gebotenen Gesetzeskraft zu ihrem Glück zwingen; denn das gebietet nun einmal die Obhutspflicht des Staates. In meinen Augen irgendwie doch eine ziemlich einseitige Betrachtungsweise und von daher sehr verdächtig, weil man alles, eben alle Lebensregungen nur allein auf Gesundheit und Gefährdung derselben zu reduzieren versucht. Zum Glück gab es schon immer Leute, die dieser diktatorischen und totalitären Sichtweise gehörig auf den Zahn gefühlt haben. Da fällt mir gleich Ernst Jünger ein; übrigens auch ein passionierter Raucher, der noch mit 100 sich gerne eine anzündete. Als Anarch läßt man sich sowieso nicht so gern etwas vorschreiben. Ähnliches gilt auch für einen anderen Granden, Old Smedly, ich meine Helmut Schmidt; der gab nämlich der BILD ein ausführliches Interview – groß herausgestrichen auf Seite 2 mit eim großen Bild von demselben darüber gesetzt. Zu sehen also ein Helmut Schmidt, der die Kippe hochhält und hinter Rauchschwaden halb verschwindet. Echt scharf. Denke mal, daß er und auch die Macher sich etwas dabei gedacht haben. Sage nur – Zeichen setzen.

Aber zurück zu Ernst Jünger; habe da von ihm aus dem Buch ANNÄHERUNGEN (Untertitel: Drogen und Rausch) ein sehr interessantes und aufschlußreiches Zitat.

“ So hat man, um in diesem Zusammenhang eines der großen Geschenke Amerikas an Europa, den Tabak, zu erwähnen, ziemlich genaue Ziffern hinsichtlich des Verhältnisses gewonnen, das zwischen dem Nikotin und einer Reihe von Krankheiten besteht. Solche Ermittlungen gehören in das Gebiet der Ökonomie; man muß jedoch, um sie anzuerkennen, bereits den Begriff des „Nutzens“ akzeptiert haben, unter dem sie getroffen sind.

Der Nutzen ist in diesem Falle hygienischer Natur. Indessen könnte mit dem Rauchen in anderer Hinsicht auch Gewinn verknüpft sein – schon das Wort „Genuß“ deutet es an. Man könnte an die Behaglichkeit im Gespräch denken, an die Verkürzung einer langweiligen und an die Verflüchtigung einer trüben Stunde, an eine Assoziation, die eben auf diese Weise gefördert wird – an einen Augenblick des Glücks schlechthin. Jede Konzentration, aber auch jede Entsprannung muß bezahlt werden. Ist der Genuß die Ausgabe wert ? Hier ruht das Problem, zu dem die Statistik nur Daten liefern kann. Es taucht im Raucher vor jeder Zigarette auf.

Die Statistik bestätigt nur eine seit jeher bekannte Tatsache: daß die Droge gefährlich ist. Wer sich mit ier einläßt, geht ein Risiko ein, das um so höher wird, je weniger er kalkuliert. In dieser Hinsicht freilich, zum Vergleich von Gewinn und Einsatz, hat die Statistik ihren Wert.“

 

…starke Raucher…

4. Juni 2008

 

4. 6. 08 Mi

Daß wir in aberwitzigen Zeiten leben, habe ich sicher schon gesagt; und wenn nicht hier dann eben in eos-o-ton. Die Absurditäten nehmen zu und der gesunde Menschenverstand oder besser die eigene unverstellte Wahrnehmung geraten immer mehr ins Hintertreffen. Wer noch selbst und auf höchst eigene Art denkt, sieht sich heutzutage leicht seltsamen Vorwürfen ausgesetzt, etwa daß er gewisse Vorurteile hege und nicht flexibel genug sei, dafür engstirnig, eben nicht progressiv sondern womöglich reaktionär oder oh Schreck oh Graus gar rechts sein könnte – nur weil er nicht jeden Blödsinn des Zeitgeists alsbald mitmacht und nachplappert wie diese SF-mäßige Kampagne, die seit Jahren schon den ganzen Westen heimsucht und hier ja auch Thema ist. Unter dem Deckmäntelchen des vorgeblichen Schutzes bzw. umfassender Schutzgesetze bezüglich bestimmter Gruppen und Völkerschaften versuchen die Sozialingenieure aufs neue das ganze Land unter ihre Kontrolle zu bringen und die Bewohner dieses Landes nach ihren hochwissenschaftlichen Konzepten und Plänen für die neue weltumfassende Gesellschaft schrittweise umzuformen dh. mittels Gesetzen und Sanktionen immer stärker zu pädagogisieren. Es riecht verdammt nach Erziehungsdiktatur, in die wir so nach und nach abzugleiten drohen, bevor dann etwas ganz anderes kommen dürfte. Aber das steht auf eim andern Blatt. Nun, die Zukunft wird jedenfalls heiß, aber das muß die Raucher nicht sonderlich schrecken. Denn die Spezies des Homo fumans hat seit jeher überdurchschnittlich viele mutige, wenn nicht tollkühne, besonders kommunikative wie auch sehr kreative Menschen in ihren Reihen gezählt wenn nicht hervorgebracht. Von daher ist ein bedachter und ausgeglichener Raucher in kritischen Situationen eim hektischen und ständig vernünftelnden Nichtraucher durchaus vorzuziehen. Damit das nicht bloß ein (eventuell provozierender) Sprch bleibt, will ich gern das zuvor Gesagte durch ein Beispiel aus der deutschen Literatur illustrieren. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein kaltblütiger Kerl, der auch in einer äußerst angespannten Situation auf sein Pfeifchen nicht verzichten will …

Sie stammt von Heinrich von Kleist und ist die erste aus der neuen Reihe Starke Raucher.

 

 
 

 

 

Heinrich von Kleist

Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege
 

 

In einem bei Jena liegenden Dorf, erzählte mir, auf einer Reise nach Frankfurt, der Gastwirt, daß sich mehrere Stunden nach der Schlacht, um die Zeit, da das Dorf schon ganz von der Armee des Prinzen von Hohenlohe verlassen und von Franzosen, die es für besetzt gehalten, umringt gewesen wäre, ein einzelner preußischer Reiter darin gezeigt hätte; und versicherte mir, daß wenn alle Soldaten, die an diesem Tage mitgefochten, so tapfer gewesen wären, wie dieser, die Franzosen hätten geschlagen werden müssen, wären sie auch noch dreimal stärker gewesen, als sie in der Tat waren. Dieser Kerl, sprach der Wirt, sprengte, ganz von Staub bedeckt, vor meinen Gasthof, und rief: »Herr Wirt!« und da ich frage: was gibts? »ein Glas Branntewein!« antwortet er, indem er sein Schwert in die Scheide wirft: »mich dürstet.« Gott im Himmel! sag ich: will er machen, Freund, daß er wegkömmt? Die Franzosen sind ja dicht vor dem Dorf! »Ei, was!« spricht er, indem er dem Pferde den Zügel über den Hals legt. »Ich habe den ganzen Tag nichts genossen!« Nun er ist, glaub ich, vom Satan besessen –! He! Liese! rief ich, und schaff ihm eine Flasche Danziger herbei, und sage: da! und will ihm die ganze Flasche in die Hand drücken, damit er nur reite. »Ach, was!« spricht er, indem er die Flasche wegstößt, und sich den Hut abnimmt: »wo soll ich mit dem Quark hin?« Und: »schenk er ein!« spricht er, indem er sich den Schweiß von der Stirn abtrocknet: »denn ich habe keine Zeit!« Nun er ist ein Kind des Todes, sag ich. Da! sag ich, und schenk ihm ein; da! trink er und reit er! Wohl mags ihm bekommen: »Noch eins!« spricht der Kerl; während die Schüsse schon von allen Seiten ins Dorf prasseln. Ich sage: noch eins? Plagt ihn –! »Noch eins!« spricht er, und streckt mir das Glas hin – »Und gut gemessen«, spricht er, indem er sich den Bart wischte und sich vom Pferde herab schneuzt: »denn es wird bar bezahlt!« Ei, mein Seel, so wollt ich doch, daß ihn –! Da! sag ich, und schenk ihm noch, wie er verlangt, ein zweites, und schenk ihm, da er getrunken, noch ein drittes ein, und frage: ist er nun zufrieden? »Ach!« – schüttelt sich der Kerl. »Der Schnaps ist gut! – Na!« spricht er, und setzt sich den Hut auf: »was bin ich schuldig?« Nichts! nichts! versetz ich. Pack er sich, ins Teufelsnamen; die Franzosen ziehen augenblicklich ins Dorf! »Na!« sagt er, indem er in seinen Stiefel greift: »so solls ihm Gott lohnen«, und holt, aus dem Stiefel, einen Pfeifenstummel hervor, und spricht, nachdem er den Kopf ausgeblasen: »schaff er mir Feuer!« Feuer? sag ich: plagt ihn –? »Feuer, ja!« spricht er: »denn ich will mir eine Pfeife Tabak anmachen.« Ei, den Kerl reiten Legionen –! He, Liese, ruf ich das Mädchen! und während der Kerl sich die Pfeife stopft, schafft das Mensch ihm Feuer. »Na!« sagt der Kerl, die Pfeife, die er sich angeschmaucht, im Maul: »nun sollen doch die Franzosen die Schwerenot kriegen!« Und damit, indem er sich den Hut in die Augen drückt, und zum Zügel greift, wendet er das Pferd und zieht von Leder. Ein Mordkerl! sag ich; ein verfluchter, verwetterter Galgenstrick! Will er sich ins Henkers Namen scheren, wo er hingehört? Drei Chasseurs – sieht er nicht? halten ja schon vor dem Tor? »Ei was!« spricht er, indem er ausspuckt; und faßt die drei Kerls blitzend ins Auge. »Wenn ihrer zehen wären, ich fürcht mich nicht.« Und in dem Augenblick reiten auch die drei Franzosen schon ins Dorf. »Bassa Manelka!« ruft der Kerl, und gibt seinem Pferde die Sporen und sprengt auf sie ein; sprengt, so wahr Gott lebt, auf sie ein, und greift sie, als ob er das ganze Hohenlohische Korps hinter sich hätte, an; dergestalt, daß, da die Chasseurs, ungewiß, ob nicht noch mehr Deutsche im Dorf sein mögen, einen Augenblick, wider ihre Gewohnheit, stutzen, er, mein Seel, ehe man noch eine Hand umkehrt, alle drei vom Sattel haut, die Pferde, die auf dem Platz herumlaufen, aufgreift, damit bei mir vorbeisprengt, und: »Bassa Teremtetem!« ruft, und: »Sieht er wohl, Herr Wirt?« und »Adies!« und »auf Wiedersehn!« und: »hoho! hoho! hoho!« – – So einen Kerl, sprach der Wirt, habe ich zeit meines Lebens nicht gesehen.

 Am Ende sei mir noch ein kleiner Hinweis gestattet, eine interessante Lesung im LI-LA Literatur-Laden betreffend, in der eine Figur von ähnlichem Kaliber die Hauptperson ist. das Rauchen ist zwar nicht gerade Thema bei dieser Lesung, aber das ein oder andere Pfeifchen stecken sich die Protagonisten dann doch an.

 

 

 

Nach den doch mehr umfassenden wie auch tiefsinnigen Gedanken der letzten Lesung möchte ich nun in eine ganz andere Kiste greifen und einen wirklich komischen Text mit witzigen Szenen und vielen drastisch-drolligen Bildern präsentieren, der einen schon beim stummen Lesen für sich immer wieder zu Heiterkeitsausbrüchen animiert. Zugegeben eine ziemlich alte Geschichte, genauer ein Schelmenroman, der schon mehr als 300 Jahre auf dem Buckel hat und dennoch trotz (oder wegen) der ungewohnten barocken Ausdrucksweise sehr zum Lachen reizt. Sprache und Szenen sind derb-sinnlich gehalten und es gibt komische und skurile Situationen zuhauf
Im Mittelpunkt dieses kleinen Romans von Johann Beer steht ein ziemlich heruntergekommener Landadeliger, ein Freigeist dazu, der ganz seinen Launen nachgeht oder wie man damals sagte seine Grillen pflegt und sich einen Teufel um die Meinung seiner Standesgenossen schert. Und der obendrein ein lockeres Mundwerk hat und für manchen Spaß zu haben ist. Genannt wird er der faule Lorenz hinter der Wiesen, weil er am liebsten faul hinterm warmen Ofen liegt… Ein echter Spaß und eine kleine Zeitreise dazu. Aus diesem ungemein komischen Roman hören Sie die interessantesten Kapitel. Ich glaub, ich versprech nicht zuviel, in der nächsten Lesung ist also Lachen angesagt.
Am Freitag den 6. Juni 08 um 20 Uhr im LI-LA Literatur-Laden in Berlin-Charlottenburg – Wilmersdorfer Str. 9

Eine barocke Lesung mit den vergnüglichsten Ausschnitten aus

Johann Beer – ‚Das Narrenspital‘

 

Haben Sie Lust etwas ‚Neues‘ zu entdecken und dabei mal wieder aus vollem Herzen abzulachen ? Eo Scheinder liest aus dem derb-sinnlichen Roman von Johann Beer – eim Musterbeispiel quietschlebendiger Barockliteratur. Doch keine Angst, die Sprache wirkt nicht sonderlich verstaubt, mögen auch manche Ausdrücke und Redewendungen altertu:mlich anmuten; denn im Gegenzug wird sehr viel an Witz und Komik geboten, daß es eine wahre Freude ist und alles in überaus drolligen und drastischen Bildern – eine höchst vergnügliche Zeitreise in die Welt des Barock. Erfrischend komisch.